Baurecht | Nicht jedem Baumangel liegt ein Überwachungsfehler zugrunde

Freitag, 26.März 2021

Baurecht. Der Anscheinsbeweis für einen Überwachungsfehler ist nur dann anwendbar, wenn Mängel vorliegen, die vom Bauüberwacher typischerweise entdeckt werden müssen, und ein typischer Geschehensablauf anzunehmen ist.

OLG Schleswig, Urteil vom 25. März 2020, Az. 12 U 162/19

DER FALL

Bei einem Bauvorhaben zeigen sich nach dessen Fertigstellung und der Abnahme Mängel an den eingebauten Fenstern, insbesondere haben sich an den Rahmen der lackierten Holzfenster deutliche Blasen gebildet. Zudem blättert dort die aufgebrachte Farbe ab. Der Bauherr verlangt einen Kostenvorschuss für die Beseitigung der Mängel und nimmt den Objektüberwacher auf Schadenersatz in Anspruch, nachdem über das Vermögen des ausführenden Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Bauherr argumentiert, dass die Planungs- und Überwachungsleistungen des Architekten mangelhaft gewesen seien.

DIE FOLGEN

Das Oberlandesgericht Schleswig lehnt eine sich aus Beweiserleichterungen ergebende Pflichtverletzung des Architekten bei der Überwachung der Ausführung ab. Denn wenn es nicht gänzlich unwahrscheinlich ist, dass auch Mängelursachen in Betracht zu ziehen sind, die bei ordnungsgemäßer Bauüberwachung nicht erkennbar gewesen wären, scheidet eine Haftung des bauüberwachenden Architekten allein aus dem Anschein einer mangelhaften Überwachung aus. Nur dann, wenn der Baumangel aufgrund der Art, Schwere und Erkennbarkeit des Mangels typischerweise entdeckt werden muss und hierfür auf einen typischen Geschehensablauf zurückgegriffen werden kann, kommt ein Anscheinsbeweis für ein Versäumnis der Bauüberwachung zum Tragen. Das war hier jedoch nicht der Fall.

WAS IST ZU TUN?

Ob ein Mangel nach dem üblichen Lauf der Dinge zu dem jeweils vorliegenden Schadensbild führen kann und erkennbar ist – mit der Folge, dass die Verletzung einer Überwachungspflicht nicht nachgewiesen werden muss -, hängt vom Einzelfall ab. Der bauüberwachende Architekt schuldet nicht die Mangelfreiheit des Bauwerks an sich. Demzufolge ist es fast logisch, dass er auch nicht für jeden baulichen Mangel haftet. Denn er muss nur für Mängel des Architektenwerks, hier der Bauüberwachung, einstehen. Der Architektenvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt u.a. eine Überwachungsleistung verspricht, die als Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks geeignet ist. Er verspricht dagegen nicht, dass das Bauwerk tatsächlich mangelfrei errichtet wird, wie der Bundesgerichtshof im Urteil vom 8. Oktober 2020 (Az. VII ZR 1/20) eher nebenbei ausgeführt hat. Ein knapper Satz des Gerichts, der deutlich macht, dass vom Architekten eben gerade nicht das „Entstehenlassen eines mangelfreien Bauwerks“ geschuldet ist, wie der BGH früher den Werkerfolg des Architekten definiert hat.

Quelle: Immobilienzeitung vom 25. März 2021 | IZ 12-2021 | Seite 12